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Meine Katze hat Krebs: Der Rattenschwanz nach einer OP

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Normalerweise fließen meine Blogbeiträge nur so von meinen Fingerspitzen in die Tastatur meines PCs. Heute hingegen setze ich zum 9. Mal innerhalb von zwei Monaten an diesem Abschnitt an. Ich will nichts Falsches sagen, Riku gerechtwerden. Meine Erfahrungen mit dir teilen. Also los:

Die blöde Haube

Du hast so einen Plastik-Schutzkragen (ich nenne es Haube) bestimmt schon mal gesehen. Und klar, ich kannte das auch, vor allem von Hunden nach der Kastration. Was ich nicht wusste: Meine Fresse, ist das ein Krampf, dieses Höllenteil am Tier zu befestigen! Wäre das ne Prüfung gewesen oder auf Zeit gegangen, wäre ich mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit durchgefallen.

Schritt 1 war, die Haube erstmal zusammenzustecken (nein, die wird einem nicht fertig übergeben oder dem Tier gar schon angelegt). Schlimmer hätte auch kein Origami-Schwan für einen blutigen Anfänger unter Zeitdruck und ohne Anleitung sein können.

schwarze Katze

Denn weder mit Fingerspitzengefühl noch großartiger Denkleistungen war ich nach der schlechten Nachricht vom Ärzteteam gesegnet (zur Auswertung der OP später mehr). Hinzu kam, dass Riku ohne die Haube anfing, sich ununterbrochen genau an den verbotenen Stellen zu putzen. Probier du mal, eine Handwerkskunst auszuführen und gleichzeitig deinen Kater davon abzuhalten, seine frisch zugenähten Wunden aufzulecken oder sich selber seine Fäden zu ziehen. H. Ö. L. L. E.

Als ich nach zig Fehlversuchen endlich eine fertige Haube in der Hand hatte, war das einfach klingende Ziel, Rikus Sturschädel durch die kleine Öffnung zu quetschen, ohne ihn dabei zu strangulieren, sie aber gleichzeitig eng genug zu befestigen, sodass er sie sich nicht runterreißen kann.

Genau das ist aber passiert. Nach einem schweißtreibenden Kampf, ihm das Teil anzulegen, hat er es sich mal direkt, mal nach großem Ringen, runtergerissen. Immer. Und immer. Wieder. Wenn ich ehrlich bin, saß ich auf dem Boden und hatte einfach einen Heulkrampf. Ich hab es gefühlt eine Ewigkeit probiert. Die ganze Zeit in dem Wissen, dass mein kleiner Schatz leidet.

Nach anderthalb Stunden war dann der Punkt gekommen, an dem ich Adrian unter Tränen angerufen habe und ihm direkt klar war, dass er von der Arbeit los muss. Ich konnte Riku ja keine Sekunde aus den Augen lassen! Immer wieder hat er sich die Haube vom Kopf gezerrt, und wenn sie mal länger als zwei Minuten drauf blieb, ist er überall gegengelaufen. Gleichzeitig zieht er an seinem Druckverband, der eigentlich bis zum Abend draufbleiben sollte, aber somit auch alle zwei Minuten von mir erneuert werden musste. Es bleibt einem auch nichts erspart – Riku nicht, und uns Katzeneltern wohl auch nicht…

Jedes *Wumms* galt einem Riku, der gegen die Wand, den Tisch und was ihm sonst noch im Weg stand donnerte. Natürlich hatten wir das Wochenende zuvor, als noch alles „normal“ war, frisch gestrichen. Tja, schön gegengeschabt ist er. Aber das war in dem Moment (entschuldigt bitte die Ausdrucksweise) scheißegal. Wichtig war, dass ich ihn beschütze. Zur Not auch vor sich selbst.

Holt euch, wenn ihr die Möglichkeit habt, jemanden zur Seite, mit dem ihr sowas gemeinsam stemmen könnt.

Ritsch, ratsch, Pflaster ab

Als wär das noch nicht Qual genug für Kater und uns Kater-Eltern, mussten wir am nächsten Tag auch noch an Rikus Bäuchlein ran. Da klebte bis jetzt nämlich immer noch das Bauch-große Pflaster, das laut Tierarzt „morgen von allein abfällt“. Rate mal, was natürlich nicht abgefallen ist und auch am nächsten Tag noch bombenfest über der frischen Wunde klebte…

Das wäre gar nicht so problematisch, wenn wir nicht verordnet bekommen hätten, Rikus Bauch täglich mit Braunol zu desinfizieren, damit sich ja nichts entzündet. Also mussten wir alle in den sauren Apfel beißen, vor allem Riku, und das Pflaster runterholen. 

Was sich so kurz dahinschreibt, war in dem Moment eine herzzerreißende Tortur. Der kleine Mann war so tapfer! Gejault hat er mehrmals, aber ich hatte das Gefühl, dass er verstanden hat: Das Pflaster muss ab!

Ein eingesperrter Freigänger

Und da sind wir auch schon bei dem anderen spannenden Punkt: Katzen dürfen nach einer Operation nicht ins Freie. Bis ihm die Fäden gezogen werden, muss auch Riku eine brave Hauskatze sein. Also noch zwei Wochen… und ich war schon nach zwei Stunden ein emotionales Wrack.

Denn Riku bettelt und fragt viel und versteht natürlich nicht, wieso er nicht raus darf und wofür er bestraft wird. Nur, dass was anders mit ihm ist, das merkt er.

Für ihn als täglichen Freigänger bedeutet das, nachdem er uns Eltern zwei Tage die Chance gegeben hatte, ihn doch rauszulassen: Trotzpullern. Kein Witz. Er hat sich einen Tag direkt neben Adrian auf die Couch gestellt und wie mit nem Kärcher auf ihn gepullert! Am nächsten Tag das Gleiche nochmal im Bett. Klar, er weiß sich nicht mehr anders zu helfen. Trotzdem mussten wir stark bleiben. Und ich sag euch, das ist nicht spaßig. Denn ich kam mit dem Wäschewaschen gar nicht hinterher…

Was sollten wir jetzt tun, um unserem Patienten wenigstens einen Hauch von Freiheit und Lebensfreude wiederzugeben? Die einzig logische Idee, die uns kam, war gassizugehen. Also haben wir kurzerhand eine Leine gekauft – Neuland für Riku. Ein richtiges Katzengeschirr wäre durch seine Bauchwunde nämlich nicht in Frage gekommen. Deshalb haben wir sie an seinem Halsband angelegt. Da es ein Sicherheitshalsband* ist, öffnet es sich allerdings automatisch, sobald man an ihm zieht.

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Als wir also eine Runde über den Hof unserer Wohnung drehten, hatte Riku, der eine halbe Ewigkeit nicht raus durfte, dementsprechend einen besonderen Zug drauf. Und ich bin schön nebenher getrabt, natürlich nur im Beisein von Adrian, damit uns Riku nicht abhaut und wir ihn auch wieder reinbekommen.

Die kleinen Spaziergänge waren auch nicht das Wahre und haben keinen Freigang ersetzt. Aber ein bisschen frische Luft schnuppern, Grashalme kauen, Vögel beobachten und sein Revier markieren, das hat Riku zumindest für den Moment auf andere Gedanken gebracht.

Riku Leine

Wenn Katzen sich nicht putzen können…

Ja, richtig gelesen. Nebeneffekt der gemeinen Haube ist, dass Riku mit seiner Zunge an keine einzige Körperstelle kam.

Dafür waren jetzt wir als Mama und Papa da – aus der Not geborene Friseure: Statt wie sonst jede Woche ein bisschen, haben wir Riku jetzt jeden Tag intensiv gebürstet. Die Fellflusen flogen durch unser Wohnzimmer, als hätte man eine Schneekugel kräftig durchgeschüttelt. Vor allem die langen Loden am Hals mussten runter, denn da juckte Riku die Haube besonders. Nur die Wunde am Bauch haben wir großzügig ausgespart (da war ja auch kein Fell zum Bürsten mehr übrig).

Trotz der Ausnahmesituation ist es übrigens nicht notwendig, Katzen zu baden.

Dass Riku nicht an sein Fell kam, ist übrigens schon nach zwei Tagen optisch total aufgefallen. Dass er nicht an seinen Popo kam, fiel dafür nach jedem Toilettengang auf. Nach jedem großen Geschäft haben wir den deswegen kontrolliert und bei Bedarf vorsichtig abgetupft (Achtung: sehr empfindliche Stelle!). Wenn Riku denn überhaupt auf’s Klo gefunden hat…

Wenn Katzen nicht aufs Klo kommen

…ist entweder das Klo zu hoch, die Katze schon alt, oder in unserem Fall: die Haube im Weg. Denn mit der ist Riku immer schön gegen den Einstieg gerammelt und hat verzweifelt versucht, eine Pfote ins Katzenstreu zu setzen. Aber: vergeblich.

Also haben Adrian und ich patientengerecht den Rand der Katzentoilette abmontiert und Riku die ersten Male vorsichtig aufs Töpfchen gehoben. Mit der Zeit hat er’s dann kapiert oder zumindest nach ein paar Mal rangieren zufällig den Weg gefunden.

Herausforderungen gab’s dann nur noch beim Verscharren seines Geschäftes. Dabei gabelte er nämlich jedes Mal was von seinen Ausscheidungen mit der Haube auf – und schleppte sie uns quer durch die Wohnung. Na wenn’s weiter nichts ist…

Meine Katze ist heiser

Ob das endlich die vollständige Auflistung aller OP-Folgen war?… Nein.

Denn auch den nächsten Rattenschwanz möchte ich dir nicht vorenthalten. Der hat mich nämlich anfangs besonders erschreckt: Riku hatte keine Stimme mehr.

Das war für meinen sonst so redebedürftigen Kater alles andere als normal. Zwei Tage lang kam gar kein Mucks mehr aus ihm raus, danach nur ein gequältes, schiefes Quietschen.

Zum Glück konnten uns die ÄrztInnen auf meine Nachfrage hin beruhigen: Das kann eine Nebenwirkung des Schlauches sein, den Riku während der OP scheinbar im Hals hatte.

Wie man Katzen Medikamente gibt

So, mit den leidigen Einzelheiten sind wir jetzt so gut wie durch. Jetzt erzähl ich dir nur noch, wie wir Riku zwei Wochen lang jeden Tag Medikamente nach Anleitung geben mussten.

Die verschiedenen Schmerzmittel haben wir mehrmals täglich in seinem Nassfutter versteckt, ab und zu auch in einer Katzenstange* (damit geht’s besonders leicht runter) und ein Medikament musste ihm direkt in den Mund gespritzt werden. Du glaubst ja gar nicht, wie geschickt Katzen sind, wenn es darum geht, Medizin wieder aus sich rauszubekommen…

Als das geschafft war, wurde dann noch dreimal täglich sein Bäuchlein mit der langen Naht mit Braunol desinfiziert. Es scheint gewirkt zu haben…

Katzenliebe von früh bis spät

…und wieder bis früh. Man glaubt es kaum, aber das war für mich eine weitere Belastung (und ich weiß, es geht hier nicht um mich, deshalb habe ich das gern in Kauf genommen): Riku wollte nachts nicht von meiner Seite weichen.

Eigentlich ein Traum. Nur wenn man am nächsten Tag früh arbeiten muss, ist es eine Doppelbelastung, nur eine Stunde geschlafen zu haben (und das kam innerhalb der zwei Wochen Krankenpflege nicht nur einmal vor).

Riku schnurrt aus Liebe nun mal wie eine Waschmaschine im Schleudergang (ich nehme das als Kompliment). Zusätzlich liebt er es, nachts über mich zu laufen, sich neu zu betten, mal neben meinen Kopf, mal an meinen Bauch, mal auf meiner Brust. Und diese Wanderungen nutzt er auch gleich immer, um liebevolle Kopfnüsse zu verteilen. Auch hier wieder danke für deine Liebe, mein Schatz, aber Mamis Nase stand schon mehrmals kurz vorm Zerbrechen (kein Spaß).

Da wir nicht wissen, wie viel Zeit uns noch mit ihm bleibt, wollten wir auch die Nächte unbedingt nutzen. Außerdem hätten wir so hören und reagieren können, falls was nicht mit ihm gestimmt hätte. Und das Wichtigste: Wir wollten ihn mit der für ihn fremden Situation nicht allein lassen. Geborgenheit, Liebe und Streicheleinheiten sollten ihn durch die ganzen folgenden Nächte führen…

„Wir können nichts mehr für ihn tun“

Endlich dürfen wir sie absetzen, die blöde Haube (die mich kurioserweise an das Kostüm aus The Handmaids Tale erinnert)! Nach zwei Wochen. Zwei Wochen hoffen. Zwei Wochen Stress. Für Riku. Für Adrian. Für mich. Sogar für unsere andere Katze Choco, die aus Angst vor ihrem behaubten Bruder immer fauchte und aus der Wohnung rannte.

Wäre es nicht so makaber, würde ich an der Stelle einen schlechten Wortwitz mit „enthaubtet“ bringen.

Auch wenn der Schutzkragen wichtig war und verhindert hat, dass Riku sich seine Fäden nach der OP selber zieht – wir sind froh, dass wir ihn nun ad acta legen können.

In der Zwischenzeit sind auch endlich die langersehnten Ergebnisse der OP eingetrudelt, welche Behandlungsmöglichkeiten wir noch haben. Ich würde euch gern etwas anderes sagen, aber jetzt hatten die ÄrztInnen Gewissheit: „Wir können nichts mehr für ihn tun“.

Krebs, du Arschloch

Die Diagnose ist jetzt drei Monate her. Es hat eine Weile gedauert, bis ich mich bereitgefühlt habe, unsere Erfahrungen aufzuschreiben. Sie mit anderen Katzeneltern zu teilen, finde ich aber einfach zu wichtig.

Trotzdem musste ich den Schockmoment erstmal anfangen zu verdauen, insofern man sowas überhaupt verdauen kann. Für mich erlebte ich zum ersten Mal das Gefühl, man hätte mir den Boden unter den Füßen weggerissen (und vielleicht bin ich deshalb sehr privilegiert). Ich habe geheult, geheult, geheult. Mein Gesicht in Riku gepresst und weitergeheult.

So furchtbar es ist. Wir sind froh, dass die ganzen Fahrten zum und vom Arzt nun hinter Riku liegen, er nicht mehr zittern muss und keinen Grund zum Angstpullern mehr hat. Bei all dem dürfen wir ja nicht vergessen, dass die Ausflüge für den kleinen Mann immer nur mit Schmerzen und enormem Stress verbunden waren. Dass ihm probiert wurde zu helfen, weiß Riku nicht.

So schlimm die Nachricht ist, so dankbar bin ich, dass durch das Ertasten vielen Katzen das Leben gerettet werden kann. Leute: Geht zur Vorsorge! Ihr für euch und mit euren Katzen!

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Von jetzt auf gleich musste ich mich damit auseinandersetzen, wie ich damit umgehen werde, dass meine Katze sterben wird. Im letzten Teil dieser Reihe habe ich mir deshalb selber die Frage gestellt, wie man sich auf etwas vorbereitet, von dem man weiß, dass es einem das Herz brechen wird…

Wenn du dich das auch gerade fragen musst oder für den Fall der Fälle vorbereitet sein möchtest, schau doch mal in Teil 3 vorbei.

Das hält unser Patient von Tierärzten:

Auch wenn ich mir nicht erst einmal aus Angst bei ihnen eingepullert habe und sie mich nicht mehr retten konnten: Tierärzte retten Leben. VORSORGE RETTET LEBEN.

Das sagt nicht nur meine Mama, sondern auch mein Doktor (und der muss es wissen, denn der hat das studiert). Überleg mal, wie cool das sein muss, Krebs oder sonst welche mega doofen Krankheiten bekämpfen zu können und noch Jahre voller Liebe rauszuschlagen, weil man sich einmal hat abtasten lassen…

Riku